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Wann darf der Hund auch mal Hund sein?

| Claudia von KeinKoeter | Darüber will ich reden
Wann darf dein Hund auch mal Hund sein? Immer am Wochenende oder gar unter der Woche? Was heißt das eigentlich den Hund Hund sein lassen und welche Folgen können sich aus diesem Gedanken ergeben?

Wann darf dein Hund Hund sein? Und was ist in diesen Momenten anders sollte es einen Unterschied zu einem normalen Leben geben? Ich höre den Satz hin und wieder, wenn ich von den ersten 24 Monaten mit meinen Hunden berichte. Das läßt mich grübeln, was sie sind wenn sie nicht gerade Hunde sind? ?

post hundsein09

Ist es das, was wir meinen, wenn wir sagen, den Hund Hund sein lassen? Foto pexels

Ich ziehe meinen Hunden keine Schuhe und auch keinen Anzug an.
(Nur Hundeschuhe, wenn es an der Pfote verletzt ist)

Sie sitzen nicht bei mir am Tisch, sie liegen darunter.

Sie sitzen nicht einmal auf meiner Couch
(ausgenommen für die Fotoserie, die extra für diesen Beitrag gemacht wurde).

Sie dürfen miteinander spielen und kommunizieren und jederzeit frei laufen, also solange ich ihnen das zugestehe.

Sie dürfen sogar bellen und knurren.

Ich stelle die Frage anders:

Was macht einen Hund zum Hund?

Ist ein Hund dann ein Hund, wenn er:

  • im Wald hetzt und jagen geht?
  • ein Reh reißt oder einen Hasen stellt?

Darf der Hund dann Hund sein, wenn er

  • auf der Hundewiese jeden anderen Hund anpöbbelt,
  • aufreitet oder
  • an jede Parkbank pinkelt?

Ist ein Hund dann ein Hund, wenn er:

  • unkontrolliert seinen Bedürfnissen nachgehen kann und man die Trockenfutter-Tüte offen im Raum stehen läßt, damit er sich auch mal satt fressen kann?

Was meinen Menschen, wenn sie sagen: "Wann darf der Hund Hund sein?"

post hundsein03

Wann darf der Hund Hundsein? Und vorallem wann ist er das? (Von der Mohnenfluh Arrono und Byron ausnahmsweise auf der Couch)

Darf der Hund dann Hund sein, wenn wir die Verantwortung für ihn abgeben und selber in Deckung gehen? Ist vielleicht damit gemeint, dass wir uns eine Auszeit vom Hunde-haben nehmen wollen?

Wollen wir eine Auszeit vom Hund-haben? 

Mir ist diese Frage ansonsten fremd.

2018 gab es einen traurigen Vorfall: ein Hund hatte seine Besitzer totgebissen. Dieser Hund lebte zeitlebens in einem Käfig, in einer Wohnung, auf einem Balkon. Das ist für mich "nicht Hund sein dürfen". Keine Bewegung, keine sozialen Kontakte bzw. überhaupt keine Kontakte. Keine Streicheleinheiten, kein Reglementieren, kein Lernen, kein Vertrauen... kein, kein... kein Leben.

Ein Hund, der nicht folgt, darf der auch mal Hund sein?

Ein Hund, der andere Hunde beißt... wann darf der Hund sein?

post hundhundsein06

Ist es das, was wir meinen, wenn wir sagen, den Hund Hund sein lassen? Foto pexels

Zurück zur eigentlichen Frage, ich frage zurück:

Wie fütterst du deinen Hund?

Wenn die Antwort jetzt: mit Trockenfutter lautet, dann sage ich:

Warum darf dein Hund nicht Hund sein?

Wie soll man das einordnen? Menschen, die unbedingt den Hund Hund sein lassen wollen, füttern Trockenfutter? Das ist ein Scherz. Wenn man als Mensch das Bedürfnis hat den Hund so hundsmäßig leben zu lassen, wie nur geht, dann sollte es schon rohfüttern (gerne auch barfen genannt) sein, wenn nicht sogar der Hund im Garten sein Futter selbst jagen gehen darf. Also den Hasen, das Huhn oder so... was meinst du? Wo fängt Hund sein lassen nun an?

Wenn wir den Hund Hund sein lassen, denken wir an einen freien, sozialen, gut gelaunten Hund, der über eine Wiese rennt. Mehr nicht.

 

Bis der Kommpfiff erfolgt und keiner kommt. Schade. Wobei der Gedanke schon hinkt. Warum sollte ein Hund einfach nur so über eine Wiese rennen? Liegt nicht hier schon ein Mißverständnis vor?

Und genau darin liegt die Antwort.

Ich glaube fest daran, dass nur der Hund auch Hund sein darf und kann, der folgt. Der kommt, wenn wir rufen, der mit uns geht, wenn wir gehen. Der mit uns sein will. Und ich glaube genau andersherum wird ein Schuh daraus. Nicht ich frage mich, wann lasse ich meinen Hund-Hund sein, sondern durch meine Erziehung wird er sein Leben genau so leben dürfen: als Hund. Und ich spreche nur von Hunden, die hier in einer Gemeinschaft mit uns leben und aufwachsen. Ich rede nicht von zum Beispiel rumänischen Straßenhunden.

Wenn dem nicht so wäre, dann müßte man den "nicht folgsamen Hund" in ein Gehege verbannen (wenn man ihn dann auch einmal Hund sein lassen wollte) in dem er frei laufen darf. Denn folgt ein Hund nicht, muss man die Kontrolle über ihn dementsprechend hoch halten, ein Leben an der Leine wäre Pflicht... Gut, was manche Hundebesitzer nicht tun und manche doch. So ein Leben mit Hund ist echt stressig.

post hundsein08

Ein Beispiel.

Robert sitzt in meinem Apportier-Seminar. Apportieren als Erziehungs-Methode. Wir sind ganz am Anfang. Die Teilnehmer stellen sich und ihre Hunde vor.

Robert sagt, Mein Name ist Robert, ich führe einen Chesapeake Bay Retriever von 12 Monaten. Wenn ich mit ihm rausgehe, fahre ich zu einem nahegelegenen Wald. Dort gibt es eine wundervolle Lichtung. Dort setze ich mich hin und lasse meinen Hund von der Leine.

Damit war seine Vorstellungsrunde beendet.

Ich frage nach: und wie geht die Spaziergeh-Runde dann weiter?

"wie weiter?"

"Wo ist der Hund", frage ich?

"Im Wald," sagt Robert

"Und wo bist du?"

"Auf der Lichtung, die Sonne genießen."

"Was macht der Hund während du die Sonne genießt?"

"Rennen. Frei sein. Das Leben genießen."

"Wie lange glaubst du, kann er sein Leben noch auf diese Art genießen?", frage ich.

Robert kratzt sich am Hinterkopf. Er sagt, er könne mit meiner Frage nichts anfangen.

post hundsein02

Mein Hund hat meinen Schuh als Beute, er liegt neben mir und ich streichle ihn... ist der Hund hier Hund?

Roberts Erziehungsmethode ist der Alptraum für jeden "braven" Hundebesitzer|in und jede Jäger|in. Er ist ein Highlight für jeden Hundetrainer|in... denn diesen gehen die Kunden dadurch nie aus.

Was glaubst du wird Roberts junger Hund sich gemäß seiner Rasseeigenschaften bald selbst beibringen?

Robert ist kein Einzelfall.

Beispiel 2

Ich lerne Fasko kennen. Fasko ist 18 Monate alt. Er zieht unbeherrscht an seinem Geschirr seit genau der Zeit, seit er aus dem Auto aussteigen durfte. Sein festes Lederhalsband weist spuren des Kampfes auf. Das andere Ende der Leine entschuldigt sich sofort. Den habe ich erst 6 Monate. Ach so, sage ich. Zugelaufen? Die Dame entspannt bei dem Scherz sichtlich. Nicht ganz, aber fast. Fasko durfte bis zu diesen 6 Monaten sein ganzes Leben selbst bestimmen. Morgens ließ ihn die ehemalige Besitzerin aus dem Haus in das mehrere tausend Quadratmeter große Grundstück. Ein Loch im Zaun war schnell gefunden und so vergnügte sich der Jungrüde mit einer Labradordame aus dem Dorf den lieben langen Tag, bis er von irgendeinem "Dödel" nach Hause gebracht wurde. So sein Teil der Geschichte. Der "Dödel" war meist ein besorgter Bürger, der nicht wollte, dass einer der Hunde überfahren wird.

Die ehmalige Besitzerin begann den 12 Monate alten Hund, der bis dato völlig frei lebte umstülpen zu wollen. Ein sehr aufwendiges, körperlich anstrengendes und auch frustrierendes Vorhaben. Sie hat dann an Heilig Abend aufgegeben und den Hund... weggegeben. 

Fasko der Hund durfte also eineinhalb Jahre nur Hund sein. Ein Traum?

Und jetzt?

Jetzt muss Fasko lernen sich anzupassen. Fussgehen, kommen wenn gerufen wird und überhaupt hat Fasko plötzlich einen Alltag, in den er integriert wird. 

Wenn Fasko wählen könnte, würde er zurückkehren zum freien Leben. Weil er nicht anders kann. Ein Hund, der so aufwächst, hat keine Wahl. Er kann nicht entscheiden. Ob Fasko sich allein und ohne Führung immer wohlgefühlt hat, wissen wir nicht und er auch nicht - denn ein Hund passt sich dem an, was er hat. Auch wenn etwas fehlt.

Fasko und sein neuer Besitzer werden viel Zeit zusammen verbringen, bis beide diese Zeit genießen können. Genießen, weil der Zeitpunkt kommen wird, ab dem Fasko kommt, wenn man ihn ruft. Er wird sein altes Leben nicht mehr vermissen. Er wird seine Bedürfnisse auf andere Weise erfüllt bekommen. Vielleicht wird er dadurch sogar länger leben.

post hundsein01

3 Hunde beim Spielen - sie alle erfüllen sich ein Bedürfnis

Die Frage, die ich noch klären möchte ist: wann ist der Hund ein Hund? 

Hund sein hat nichts damit zu tun, ob wir den Hund mit ins Bett nehmen oder ob er auf unserer Couch sitzen darf. Er ist auch nicht dann mehr Hund, wenn wir ihn an manchen Tagen ihm selbst überlassen und er plötzlich tun darf, was er sonst nicht tun darf. 

Rassehunde haben rassetypische Eigenschaften. Diese Eigenschaften nach denen sie in der Zucht selektiert worden sind, sind Bedürfnisse und somit selbstbestätigende Elemente. Als Beispiel der Labrador, der für sein Leben gerne meine Schuhe durchs Zimmer schleppt bzw. apportiert (hier darf er also Hund sein) weil das eine Eigenschaft ist, die er gerne macht und die ihm alleine aus der Tatsache, dass er es macht, ein gutes Gefühl gibt.

Der Labrador schleppt alles mit sich rum, der Hütehund hütet. images/blog/post-hundsein013.jpg Eine sich selbstbestätigende Handlung, Wildclover's Boss beim Apportieren

Oder nehmen wir einen Hund aus dem Hütehund Bereich. Hüten ist eine rassetypische Eigenschaft. Sie ist selbstbestätigend. Hüten befriedigt diese Hunde. Einen Hütehund zuhause haben, der sein Leben lang nichts dergleichen tun darf, ist nicht den Hund Hund sein lassen, sondern stellt man dem nichts Ädequates entgegen, ein Makel im Leben.

post hundsein010

Wer ist mehr Hund? Der auf der Couch sitzen muss, oder der, der seiner Rasseeigenschaften gemäß eingesetzt wird? Foto Ulrike Mai

Irgendwo habe ich mal eine Liste gesehen auf der stand, was ein Hund tun muss oder darf, damit er sich als Hund verstanden fühlt oder damit er eben Hund ist. Auf der Liste standen Dinge wie bellen, sich am Boden wälzen, frei laufen ... alles Dinge die, wie ich finde, selbstverständlich sind.

Dabei hat mir neulich jemand erzählt ..."und dann hat der Hund gebellt!" Und dieses "und dann hat der Hund gebellt" kam vorwurfsvoll, ja fast beleidigt. Ich finde meine Antwort darauf sehr spaßig. "Sei froh, dass er gebellt hat, hätte er miaut würde ich mir Sorgen machen." Es scheint als dürte manch ein Hund alles und manch ein Hund nicht mal, was zum Hundsein gehört: bellen.

Dabei wissen wir doch was ein Hund zum Glück braucht... oder etwa nicht?

Stimmt und das ist die Krux.

Was braucht der Hund zum Glücklichsein?

Eine Frage dazu ist, weißt du, was du für einen Hund hast?

Peter wischt sich den Schweiß von der Stirn und sagt "puh aus der Nummer bin ich raus - meiner ist zu 100% Mischling."

Mit einem Mischling ist man fein raus aus der Frage: wann ist der Hund ein Hund - schon klar ?

Haaahahahaha - das ist mein Running Gag des Tages.

Tja, wer einen Mischling hat, hat es gut - oder auch nicht.

Mischlings-Hunde können also gar nie glücklich werden, weil man ihre Rasseeigenschaften nicht kennt und diese somit nicht erfüllen kann. Hm. Oder noch besser, weil sie gar keine Rassetypischeneigenschaften besitzen. Diese sind dann alle beim Deckakt verloren gegangen (frage ich mich ?)

Ich glaube, das ist großer Mist.

Ich glaube, ein Mischling kann gleich mehrere verschiedene "Rassetypischen-Eigenschaften" besitzen, er kann vorstehen und apportieren. Es kann sich aber auch ein kunterbuntes Durcheinander ergeben, das nicht immer ganz einfach zu handeln ist. Ein Mischling kann in seinen Eigenschaften die größte Überraschung darstellen - auf jeden Fall wird er einem bald zeigen, was er "in sich trägt" - sollte man gar keine Ahnung haben, denn er wird es einfach tun. Es gibt mittlerweile einen Bluttest mit dem man feststellen kann, welche Rassen sich in dem Mischlingshund vereinen.

post hundsein011

Nicht meine Rasse und auch sonst missverstanden. Wann darf der Hund Hund sein? (c)Foto bednuts

Wann darf mein Hund Hund sein? In meinem Zusammenleben gibt es diesen Satz nicht oder anders: er findet täglich statt. Mein Hund darf im Rahmen meiner und unserer gemeinsamen Möglichkeiten Hund sein. 

Ich übernehme die Verantwortung für ihn, das heißt, unsere gemeinsame Zeit in den ersten beiden Jahren ist geprägt von Lernen. Zusammensein, sich kennenlernen, Spiel, Spaß und Freizeit miteinander zu verbringen, Regeln zu lernen und einzuhalten. Sich immer wieder neuen Dingen zu stellen, körperlich und auch geistig ausgelastet zu werden. Ruhephasen zu genießen und zu entspannen. Kuscheln, spielen und auch kämpfen steht auf der Tagesordnung und das nicht nur mit mir, sondern auch mit meinen älteren Hunden.

Ziel ist, einen folgsamen und "fröhlichen" Hund zu erhalten, ohne dass dieser merkt, dass er Abstriche machen muss.

Das geschieht durch die Ausbildung und Erziehung mittels der Apportier-Methode. Wenn das alles so klasse ist, warum hat dann mein Wiesentalk vom Anfang des Beitrages sich Sorgen ums Hundsein bei meinen Hunden gemacht?

Manche Dinge darf mein Hund in jungen Jahren eben nicht. Er weiß das aber nicht explizit. Man muss eine Sache nicht erst verbieten, man kann vorher schon etwas anbieten, das ein guter Ersatz ist.

Als Beispiel: meine Rüden dürfen die ersten beiden Lebensjahre nur bedingt draußen schnuppern gehen und sie dürfen auch nicht über alles drüber pinkeln. Das heißt nicht, dass sie überhaupt nicht schnuppern dürfen. Ein Ersatz ist das Spuren, das ich zeitnah mit meinen Hunden beginne. Zu Hause im Garten dürfen sie schnuppern so viel sie wollen. Im Garten pinkeln sie auch wo sie wollen - draußen im Freien gelten Regeln. Keine Parkbänke, keine Häuserecken, keine Gartentore... und weil ich das nicht bei jedem Haus oder jeder Parkbank etc. neu diskutieren möchte, führe ich bald ein Mach-Pipi-Kommando ein. Dann weiß ich, der erste Druck ist raus - ab jetzt kommt nur noch markieren und das bitte nicht hier und auch nicht da...

Ich finde es einfach Dinge einem Hund vorzuenthalten und wenn er alt genug ist (dann, wenn er raus aus der Dummyarbeit ist) darf er mehr - viel mehr, wenn er möchte. Die Frage ist, mag ein Hund dann noch - wenn er es nicht gelernt hat. Ich kann diese Frage mit ja beantworten. Meine alten Rüden gehen mit mir spazieren und pinkeln über alles drüber, was ihnen unter und in die Nase kommt (außer den Gartentoren etc. diese Regeln gelten immer) und jetzt dürfen sie das auch.  Und ich glaube fast sie genießen es gegenüber den jungen Hunden dieses Recht zu haben ...

Ich gehe jetzt meinen Hund Hund sein lassen und Gott sei Dank muss ich dazu gar nichts tun. Es grüßt dich Claudia von keinkoeter.de

hey, ich bin Claudia von KeinKöter. Ich schreibe Blogartikel, Podcaste und bin auf YouTube, um dir den Start in die Dummyarbeit leichter zu machen.

Wenn Du Fragen zum Thema Hund hast, erreichst du mich hier: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.